von Karlheinz Reimann,

geschrieben im April 2013

Auf einer holzgeschnitzten Tafel im Allgäu stand: „Wo wir uns der Sonne freuen, sind wir aller Sorgen los“. Mein erster Gedanke war: So sehr uns ein warmer Sonnenstrahl in der dunklen Jahreszeit wohl tut – ein paar Sorgen bleiben zuweilen auch noch, wenn die Sonne scheint. Denkt man aber tiefer darüber nach, hängt unsere ganze Existenz allein von der Sonne ab. Ohne die Energiestrahlung der Sonne könnte es auf der Erde kein Leben geben, wäre unser Dasein nicht möglich. In der biblischen Schöpfungsgeschichte wird ein fundamentales Ereignis genannt: „Es werde Licht!“ Und es wurde Licht, lange bevor es Leben auf der Erde gab.

Der schweizer Dipl.-Ing. Hans Schütz hat in seinem Buch (1) viele Erkenntnisse und Fakten über die Zusammenhänge von Sonne-Erde-Ionosphäre und Kurzwellenausbreitung in leicht verständlicher Form dargestellt. Die Sonne als wunderbarster Atomreaktor, den wir uns vorstellen können, erzeugt ihre riesige Energie nicht durch Kernspaltung wie unsere irdischen Atomkraftwerke mit vielen schädlichen Begleiterscheinungen, sondern durch Kernfusion, wobei jeweils zwei Wasserstoffatome zu einem Heliumatom verschmelzen. Ein winziger Bruchteil dieser Energie gelangt durch Strahlung (Radio-, Wärme-, Licht-, UV- und Röntgenstrahlung) mit 300.000 km/s nach 8,3 Minuten zur Erde. Partikelströme von der Sonne erreichen nach 20 bis 40 Stunden die Nähe der Erde.

Die Sonne hat ein Volumen von 1,3 Millionen Erdkugeln. Sie besteht fast ausschließlich aus glühend heißen Gasen, aus Wasserstoff und Helium, die in der Sonnenmitte etwa siebenmal dichter sind als Gold, eines der schwersten Metalle. Dort produziert der riesige Atommeiler bei 15 Millionen °C eine unvorstellbar große Energie, die als Röntgen- und Gammastrahlung nach außen drängt, aber bis zur tiefsten sichtbaren Oberfläche der Sonne, der Photosphäre (Lichtsphäre), in langwellige Strahlung wie UV, Licht und Wärme umgewandelt wird. Dabei sinkt die Temperatur auf rund 6.000°C. Über der Photosphäre liegt als relativ dünne Schicht die Chromosphäre (Farbsphäre) mit einer wieder höheren Temperatur von 10.000°C. Über diese, nur bei einer Sonnenfinsternis sichtbar, erhebt sich die stachlige Korona (Krone), die mit ihren Ausläufern bis zur Erde reicht. Merkwürdigerweise finden sich in ihr Temperaturen von 1 bis 2 Millionen °C.

Zeitweise sind (mit geschützten Augen!) über die Sonne verstreut dunkle Punkte sichtbar, die Sonnenflecken. Paarweise wachsen sie aus kleinen Pünktchen im Laufe von einigen Tagen oder Wochen zu großen dunklen Flecken von bis zu 200.000km Durchmesser sowie ganzen Fleckengruppen und bilden sich noch etwas langsamer zurück. Ihr Inneres ist 1.000 bis 2.000°C kälter als ihre Umgebung und von einem starken Magnetfeld durchsetzt. Sie tauchen am Ostrand der Sonne auf, wandern westlich über die Scheibe und verschwinden nach rund 13 Tagen am Westrand, um nach einem gleichen Zeitraum am Ostrand wieder zu erscheinen. Daraus hat man auf eine Umdrehung der Sonne in etwa 27 Tagen geschlossen. Am Äquator dauert eine Umdrehung der heißen Gase nur 25 Tage, in höheren Breiten dagegen 28 Tage und mehr.

Häufigkeit und Größe der Flecken nehmen von einem Minimum aus über vier Jahre bis zu einem Maximum zu, um in den folgenden sieben Jahren wider auf ein Minimum zu sinken. Die 11-jährige Sonnenfleckenperiode, seit etwa 200 Jahren beobachtet, verläuft also nicht symmetrisch und zeigt auch über mehrere Zyklen andauernde Schwankungen der Sonnenaktivität. Das letzte Sonnenfleckenmaximum lag Mitte 2000, das folgende hätte danach schon 2011/2012 erreicht werden sollen. Astrophysiker sind seit einiger Zeit in Sorge: „Mit der Sonne ist zurzeit nicht viel los, sie schwächelt… Der derzeitige Sonnenzyklus wird wohl der schwächste seit Beginn des Weltraumzeitalters sein.“ (2) Sichere Anzeichen für erhöhte Aktivität der Sonne wären Nordlichterscheinungen, die dann auch in unseren Breiten sichtbar werden können. Sie entstehen durch Partikelströme von der Sonne, die Erdnähe erreichen und vom Magnetfeld der Erde besonders in den Polregionen eingefangen werden.

Verbunden mit dem Auftreten von Sonnenflecken sind komplexe Erscheinungen, deren Auswirkungen in der Ionosphäre und auf der Erde wahrnehmbar sind. Bei zeitweiligen starken und etwa 10 bis 30 Minuten andauernden Eruptionen (Ausbrüchen) aus der Sonne in der Nähe von Sonnenflecken beobachtet man eine rapide Zunahme von UV- und Röntgenstrahlung, totalen Kurzwellenschwund, Schwankungen im Magnetfeld der Erde sowie verstärkte Radioemissionen der Sonne im Dezimeterwellenbereich. Oft werden dabei Gasmassen von der Sonne in den Weltraum geschleudert, von denen ein Teil nach etwa 20 Stunden die Erde erreicht, die Ionosphäre stört und im Magnetfeld der Erde sogenannte „magnetische Stürme“ auslöst.

So hat die Sonnenaktivität einen sehr großen Einfluss auf die Ausbreitung der Funkwellen, vor allem im Kurzwellenbereich. In Höhen von 60 km bis 300km bilden und verändern sich ständig durch die Einwirkung der Sonne verschiedene Schichten ionisierter Gase, an denen schräg einfallende Funkwellen wie an einem Hohlspiegel zur Erde reflektiert werden und so in mehreren Sprüngen die Erde umrunden können.

Sonne1

Bild1: Reflexion von Kurzwellen an Schichten der Ionosphäre (1)

Diese Schichten sind zu Zeiten der Sonnenaktivität besonders stark ausgebildet und ermöglichen Kurzwellenamateuren auf ihren hohen Bändern mit geringen Sendeleistungen unter der Tagesglocke ausgezeichnete Weitverbindungen: Morgens mit Sibirien-Fernost, Japan, Australien und Neuseeland, mittags mit dem Nahen Osten, Afrika, der Antarktis und den Kanaren, nachmittags mit Südamerika und später mit Nordamerika, Kanada und Hawaii. Andererseits führen Störungen in der Ionosphäre und des Erdmagnetfeldes durch die Sonne nicht selten zu stunden- oder tagelangem Zusammenbruch des gesamten Kurzwellenverkehrs. Mit großem Interesse erleben und verfolgen viele der 80.000 Funkamateure in Deutschland und etwa 2 Millionen in der Welt die sich ständig ändernden Bedingungen der Kurzwellenausbreitung. Für den erfahrenen Amateurfunker ist es immer wieder spannend, die Grenzen zu erforschen, bei denen mit erstaunlich geringer Sendeleistung größte Entfernungen rund um die Erdkugel durch sachkundige Nutzung der geophysikalischen Bedingungen in der Ionosphäre überbrückt werden können. So werden auch heute noch neue Erkenntnisse über die Ausbreitungsmechanismen der kurzen Wellen gewonnen, obwohl man seit den dreißiger Jahren glaubte, alle Fakten zu kennen. Dagegen stehen im militärischen oder kommerziellen Bereich Zuverlässigkeit und Güte der Funkverbindungen im Vordergrund, weshalb hier viel größerer Aufwand auch für geringere Reichweiten eingesetzt wird.

Sonne2 

Bild2: Teile des Partikelstromes von der Sonne werden durch das Magnetfeld der Erde eingefangen
und zu den Polen geleitet, wo sie die Polarlichterscheinungen hervorrufen (1)

 Gehen von der erhöhten Aktivität der Sonne nun Gefahren für das Leben auf der Erde und den Menschen aus? Bisher konnte zwischen der elfjährigen Sonnenfleckenperiode und dem verstärkten Auftreten bestimmter Krankheiten, so etwa Hautkrebs durch verstärkte UV-Strahlung, ein kausaler Zusammenhang nicht nachgewiesen werden. Andere Einflussfaktoren, wie die Verringerung der Ozonschicht durch Umweltschäden oder indem man sich einer übermäßigen Sonnenbestrahlung in den Mittagsstunden aussetzt überwiegen offensichtlich und können auch in Zeiten geringerer Sonnenaktivität schädlich sein. Andererseits hat unser Wissen und Verständnis für eine solch fundamentale und höchst komplexe Erscheinung wie die von der Sonne ausgehende Strahlung seine Grenzen.

Gegen das Eindringen durchaus gefährlicher Partikelströme von der Sonne bis auf die Erdoberfläche sind wir in wunderbarer Weise geschützt durch das Magnetfeld der Erde. Diese Partikel werden in Richtung der magnetischen Pole abgelenkt und entlang der magnetischen Feldlinien in den Eingangsbereich des van Allen-Gürtels geführt. Man nimmt an, dass diese Partikel (hauptsächlich Protonen) die im Gürtel oszillierenden Elektronen so stark beschleunigen, dass sie mit viel Energie in die Ionosphäre geschleudert werden. Hier treffen sie auf dort befindliche Gasatome, wo sie durch Erzeugung von sichtbarem Licht ihre Energie verlieren und damit die gewaltigen und eindrucksvollen Nord- oder Polarlichterscheinungen hervorrufen.


Anmerkungen: 

(1)   Hans Schütz: „Sonne – Erde – Ionosphäre und Kurzwellenausbreitung“
       DARC-Verlag Baunatal

(2)   Ute Kehse „Sonne auf Sparflamme“
       in Zeitschrift Bild der Wissenschaft Heft 2/2011 S. 46 ff.