von Karlheinz Reimann, DL2JVN

geschrieben im September 2018

Amateurfunk in der Welt

Amateurfunk ist ein interessantes und vielseitiges, aber auch anspruchsvolles Hobby. Funkamateure versuchen Funkverbindungen mit anderen Funkamateuren in der gesamten Welt herzustellen, meist mit relativ kleiner Senderleistung und oft an der Grenze des technisch Möglichen. Amateurfunk soll bei niveauvoller Kommunikation weltweit Brücken des gegenseitigen Verstehens schlagen und keine kommerziellen Interessen verfolgen. Politik und Religion sollten möglichst außen vor bleiben.

In der Welt gibt es etwa 2,8 Millionen lizensierte Funkamateure. Davon 1,3 Millionen in Japan, 740.000 in den USA, 176.000 in Thailand und 140.000 in Süd Korea. Danach folgt Deutschland auf Platz 5 mit etwa 80.000 Funkamateuren, also 1 von 1000 Bundesbürgern besitzt eine Amateurfunklizenz. So ist es kein Wunder, dass ich in meinem Dörfchen mit gut 3.600 Einwohnern seit mehr als 50 Jahren der einzige Amateurfunker bin. Amateurfunk ist  ein selten ausgeübtes Hobby, weshalb tiefere Kenntnisse darüber wenig verbreitet sind. Hier zunächst einige Anmerkungen über den Amateurfunk an sich.

Wer Funkamateur werden will, muss eine Ausbildung absolvieren, die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten auf den Gebieten Technik, Betriebsdienst und gesetzliche Bestimmungen erwerben und diese in einer Prüfung vor der nationalen Telekommunikationsbehörde – in Deutschland die Bundesnetzagentur (BNetzA) - nachweisen. Unterstützung dabei findet man bei den Funkamateuren in den über 1.000 lokalen Ortsvereinen (OV) des Deutschen Amateur Radio Club (DARC), der größten Dachorganisation der Funkamateure in Deutschland mit etwa 42.000 Mitgliedern. Besonders aufwendig war früher das Erlernen des Hörens und Gebens von Morsezeichen mit Tempo 60 Buchstaben pro Minute. Das ist heute nicht mehr Bedingung, wird aber von vielen älteren Funkamateuren noch immer als schönste Betriebsart gepflegt. Erst nach erfolgreicher Prüfung wird eine Lizenz zum Funken erteilt und der Funkamateur erhält für seine Funkstation ein persönliches Rufzeichen, das weltweit nur ein einziges Mal existiert. Beim Rufzeichen steht vornan der Landeskenner, so dass jeder, der ein Rufzeichen hört, sofort weiß, aus welchem Land der Erde dieser Funkamateur sendet. Derzeit sind 340 Landeskenner in der von der ARRL (American Radio Relay League) verwalteten Amateurfunk-Länderliste (DXCC-Länder) aufgeführt, darunter auch eine Anzahl von Ländern und Gebieten, in denen gar kein Funkamateur ansässig ist. Wenn diese durch Expeditionen von ausländischen Funkamateuren aktiviert werden, herrscht stets großer Andrang, mit diesen Gebieten eine Funkverbindung zu erreichen und bestätigt zu bekommen.

Mit dem Funkwesen allgemein wie auch dem Amateurfunk hat sich ein spezieller Sprachgebrauch entwickelt mit vielen Fachbegriffen, Abkürzungen für die Telegrafie meist aus dem Englischen, weil nach dem Ersten Weltkrieg Briten und Amerikaner beim Amateurfunk den Deutschen zeitlich voraus waren, sowie den international gebräuchlichen Q-Gruppen. Als Buchstabieralphabet wird im Amateurfunk das gleiche benutzt wiein der internationalen Luftfahrt. Zum besseren Verständnis ist deshalb am Ende dieses Beitrages ein Glossar angefügt.


Die meisten Funkamateure  benutzen  den  Bereich der Kurzwellen mit einer Frequenz von 3MHz bis 30MHz.  Die Ausbreitungsbedingungen der Funkwellen werden hier sehr stark  vom geophysikalischen Zustand der die Erde umgebenden Lufthülle durch die Sonneneinstrahlung beeinflusst. In Höhen von etwa 60 bis über 300 Kilometer entsteht durch die Strahlung der Sonne  die Ionosphäre mit mehreren gekrümmten Schichten.  Das Vorhandensein solcher Schichten hatten 1902 nahezu zeitgleich die beiden Forscher Arthur Kennelly in Amerika und Oliver Heaviside in England vorhergesagt. Tatsächlich wurden diese ionisierten Schichten 1924 nachgewiesen und nach ihren Entdeckern benannt. Weiteres dazu hier auch unter "Patchwork" in "Die Sonne - Stern unseres Lebens". Schräg einfallende Funkwellen werden an diesen Schichten ähnlich wie an einem Hohlspiegel zur Erde zurück reflektiert. Sie können  aber auch erneut von der Erde in die Ionosphäre reflektiert werden. Auf diese Weise können Funkwellen in mehreren Zick-Zack-Sprüngen die Erde umrunden.

KW AusbreitungReflexion von Kurzwellen an den Schichten der Ionosphäre


Das Spannende dabei ist, dass die Ausbildung dieser ionisierten Schichten abhängig ist von der Strahlungsintensität der Sonne und sich ständig verändert. Damit ändern sich auch ständig die Bedingungen für eine Funkübertragung, sind bei Tag anders als in der Nacht, im Sommer anders als im Winter, schwanken mit der elfjährigen Sonnenfleckenperiode und sind natürlich auch in verschiedenen Gebieten der Erdoberfläche sehr unterschiedlich ausgebildet. Funkamateuren geht es oft weniger um den Inhalt der Funkverbindung, sondern hauptsächlich darum, dass sie über Tausende von Kilometern überhaupt zustande kommt. So ist es immer wieder reizvoll, am frühen Morgen beispielsweise Japan, Australien, Neuseeland oder Inseln in Polynesien zu erreichen, später die Ostküste der USA, Kanada,  Südafrika oder eine Forschungsstation in der  Antarktis (zwischen Chemnitz und der russischen Basis "Vostok" liegen 14.000 Kilometer)  und am Abend die Westküste der USA, Hawaii oder Brasilien.  Funkamateure haben besonders seit den 1920er Jahren mit ihren Erfahrungen  und Verbindungsdaten viel dazu begetragen, die Ausbreitung der elektromagnetischen Wellen in verschiedenen Frequensbereichen zu erforschen.

Andere Funkamateure befassen sich mit Funkverbindungen auf UKW, im Höchstfrequenz- oder Längstwellenbereich, richten ihre Antennen auf den Mond, damit anderswo auf der Erde eine Reflexion ihres Signals vom Mond empfangen werden kann (EME-Verbindung), betreiben mit der Übertragung von Bildern Amateurfunkfernsehen und selbstverständlich haben auch verschiedene digitale Übertragungsverfahren im Amateurfunk Einzug gehalten. Raumfahrer in der ISS besitzen häufig auch eine Amateurfunklizenz. Es ist fast immer die Amateurfunkstation einer Schule, für die der Astronaut in der ISS für einen kurzen Kontakt ein paar Minuten seiner knapp bemessen Zeit spendiert – natürlich ein unvergessliches Highlight für diese Schüler.

Für jede gelungene Funkverbindung (QSO) können Funkamateure den Austausch einer Bestätigungskarte (QSL-Karte) vereinbaren, die nach internationalen Verträgen  weltweit und kostenlos von allen nationalen Postinstitutionen an die Dachorganisationen des Amateurfunks in den Ländern versschickt werden. Die Karten für sehr seltene oder nahezu unmögliche Funkverbindungen gelten als Trophäe in der Sammlung eines Amateurfunkers.

Myqsl

Mit jeder meiner QSL-Karten geht der Name der Stadt "Chemnitz" hinaus in die Welt, aber auch die Mahnung   "Der Blaue Planet - unsere einzige Zukunft!"


Die eigene QSL-Karte kann jeder Funkamateur selbst gestalten und damit ein persönliches Anliegen ausdrücken. Die Erde umspannend, wie der Amateurfunk ist, wollte ich an die Einzigartigkeit, aber auch Kostbarkeit unseres "Blauen Planeten" erinnern. Das Foto der Erde aus dem All wurde vor über 30 Jahren vom Europäischen Raumflugkontrollzentrum Darmstadt publiziert und freigegeben. Der Slogan vom "Blauen Planet" war damals der Titel eines beeindruckenden 3D-Films gegen die Zerstörung der Regenwälder und die dadurch möglichen Auswirkungen auf das Klima wie heftigere Stürme, größere Überschwemmungen und verheerende Trockenheit. Heute erleben wir das in immer kürzeren Abständen und an völlig unerwarteten Orten. Das Sündenregister der modernen Welt ist lang, der Slogan nach drei Jahrzehnten nicht weniger aktuell. Um nur ein Beispiel zu nennen: Es werden heute ständig Zehntausende Tonnen Plasikmüll kostengünstig, aber verantwortungslos im Meer entsorgt (1). Fische erkranken  oder verenden mit Plastikmüll im Magen und erste Studien zeigen Mikroplastik im menschlichen Körper. Die "Schöpfung bewahren" sollte anders aussehen, besonders wenn Regierungsparteien das "C" im Namen führen. Professor Harald Lesch titelte kürzlich seine TV-Sendung "Die Menschheit schafft sich ab". Sicher nicht gleich, aber was wird nach zehn Generationen, in 300 Jahren sein? Die Menschen vor 300 Jahren haben uns alle Chancen für das Leben auf dem "Blauen Planeten" gelassen, werden wir den Menschen in 300 Jahren auch Chancen lassen? Die Menschheit reagiert selten auf kleine Fingerzeige der Natur, Probleme müssen fast immer erst zur Katastrophe aufwachsen. Aber dann ist vieles nicht mehr zu korrigieren. Plastik kann man aus dem Meer nicht wieder entfernen. Es soll 450 Jahre dauern, bis Plastik im Meer verrottet. Aber wir machen immer weiter so. Der "Blaue Planet" ist nicht unverletzbar. Nachgeborene, hört zu, schaut hin, passt auf Euch auf und lasst Euch nicht alles gefallen! Der "Blaue Planet ist Eure einzige Zukunft!"


Amateurfunk in meinem Leben

„Alles im Leben hat seine Zeit“ (Prediger 3,1). Aus altersbedingten und gesundheitlichen Gründen, auch weil sich Interessen verlagert haben, habe ich mich entschieden, den Amateurfunk zu reduzieren und meine Mitgliedschaft im DARC zu beenden. Meine Lizenz werde ich noch behalten, DL2JVN wird auch künftig noch auf den Bändern zu hören sein. Deshalb hier ein kurzer Rückblick auf mein persönliches „Amateurfunkerleben“.

60 Jahre in meinem Leben hat mich der Amateurfunk begleitet. Auch als Hommage an meinen Großvater Max Donner, der im 1. Weltkrieg von Funk gehört und 1922 mit Röhren aus der Schweiz ein Rundfunkempfangsgerät gebaut hatte, was vor der Einführung des öffentlichen Rundfunks am 29. Oktober 1923 in Deutschland verboten und eine Straftat war. Ausgebombt in Chemnitz war er nach 1945 als selbständiger Rundfunkmechanikermeister in Lengefeld im Erzgebirge tätig. Bei ihm in seiner Kellerwerkstatt unter dem Elektrogeschäft Auerbach habe ich nicht nur Radios reparieren gelernt, sondern mit ihm auch als Fünfzehnjähriger meine ersten Schwarz-Sendeversuche unternommen, auf der Mittelwelle an einer ruhigen Stelle gleich neben Radio DDR. Als Sender diente ein selbsterregtes Audion, der Nachrichteninhalt war rein technisch. Niemand hat es gemerkt oder uns erwischt. Da entstand bei mir der Wunsch, das auch legal machen zu können.

Als Praktikant im RAW (ReichsbahnAusbesserungsWerk) Karl-Marx-Stadt habe ich 1957 nach der Arbeit bei einem Funkausbilder mit dem Lernen von Telegrafie begonnen und im GST-Bezirksvorstand auf der Schloßstraße bei Rudi Mohr heute DL2JFN ein Jahr lang fortgesetzt. In den Sommerferien 1958 nach vier Wochen Ausbildung in der Zentralen Nachrichtenschule der GST in Oppin (einem ehemaligen Rittergut bei Halle) konnte ich die Prüfung mit Tempo 60 ablegen. Im gleichen Jahr wurde ich, nun Student in Dresden, Mitbenutzer DM3XCL an der Klubstation der Fachschule für Eisenbahnwesen in Dresden. Helmut Wolf DM2APL, ehemals Bordfunker der deutschen Luftwaffe, war mir hier ein väterlicher Lehrer und Freund, später SED-Parteisekretär an meiner Hochschule für Verkehrswesen. Unser Verhältnis war von großem Vertrauen geprägt. Er hat mir im Sommer 1960, als kein Student mehr durch den Westsektor von Berlin fahren durfte, zusammen mit meiner Verlobten auf Versprechen mit Handschlag wiederzukommen, eine Reise von zwei Wochen zu den künftigen Schwiegereltern in Mannheim „eingefädelt“, und wir beide haben Wort gehalten. Helmut Wolf war aber auch ein beharrlicher Werber für die SED. Man suchte damals dringend Techniker für das parteiinterne Richtfunknetz. Zum Parteieintritt konnte ich mich nicht entschließen, was er am Ende auch akzeptiert hat. 1960 war ich Erbauer und Leiter der ersten Amateurfunkstation DM4CL an der Hochschule für Verkehrswesen in Dresden, wodurch mir die vormilitärische Ausbildung im Gelände erspart geblieben ist. Mit dem Ende des Studiums 1963 und Rückkehr nach Karl-Marx-Stadt erhielt ich - zähneknirschend als „Funker im Elfenbeinturm“ – die Privatlizenz DM2BVN, später Y22VN und nach der Wende DL2JVN. Ein anderer „Elfenbeinturmfunker“ war Horst Hübl heute DJ5DN. Für Aufbau und Betrieb von Sonderstationen in der Stadthalle zu Kongressen der GST haben wir uns tatkräftig eingesetzt. Seit 50 Jahren habe ich von Horst oft von seinem Wissen und seiner Erfahrung im Amateurfunk profitiert. Auch hat er mich oft zu DX angespornt, wenn Expeditionen seltene Länder aktiviert haben.

Der Amateurfunk hat mir Spaß und Freude bereitet, fanatisch war ich nie und deshalb meine Erfolge auch begrenzt. Ich habe nur zwei Drittel der möglichen Länder im Logbuch. Die Familie hat mir Geduld geschenkt für die viele Zeit beim Eigenbau von Geräten während der DDR, unser Sohn Jörg hat als Bergsteiger in luftiger Höhe beim Bau meiner „Lärchenantenne“ tatkräftig geholfen, die heute immer noch hängt: Eine horizontale Delta-Loop von 85 Metern Länge in 15 Metern Höhe, um die mich mancher Amateurfunker beneidet. Mein Funkfreund Karl Heinz Hille DL1VU in Lenggries hat mir später die Strahlungsdiagramme meiner Delta-Loop berechnet und in der Zeitschrift "funk" 11/2003 beschrieben. Aber mit nur 100 Watt ist es auch damit schwer, bei DX im Pileup auf den Südseeinseln gehört zu werden. Später ist dann noch ein Beam FB DO-450 auf das Hausdach gekommen, womit die Strahlungsleistung in eine Richtung vervierfacht werden konnte. Viele Jahre war dieses von Passanten oft bestaunte Ungetüm, eine Yagiantenne mit vier fast sieben Meter langen Elementen, das Wahrzeichen eines Amateurfunkers in der Gartenstadt Kleinolbersdorf.

KW Beam

Das "Ungetüm", eine Kurzwellenrichtantenne FB DO-450 von DL2JVN auf dem Hausdach in Kleinolbersdorf    (Bild: Karlheinz Reimann)


Damit war es schon leichter, Expeditionen in der Südsee zu erreichen oder sich mit Alex RI1ANC in der russischen Forschungsstation „Vostok“ in der Antarktis über das Wetter und die Lebensbdingungenzu dort zu unterhalten: Temperatur minus 40 Grad Celsius, Tageslänge im November 24 Stunden, die Sonne geht am Polartag nicht unter, Entfernung zum geografischen Südpol 1.290 Kilometer, Entfernung von Chemnitz 14.000 Kilometer, überbrückt von DL2JVN mit nur 100 Watt Sendeleistung. Solche Gespräche helfen auch, um mein Russisch  wieder "aufzupolieren". Obwohl der Antennenmast für die Windlast der Antenne bis zu einer Windgeschwindigkeit von 130km/h berechnet und ausgeführt war (äußeres und inneres Stahlrohr mehrfach miteinander verschweißt), wurde die Antenne im Februar 2017 wegen der immer heftiger auftretenden Stürme abgebaut.

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QSL-Karte der russischen Forschungsstation "Vostok" in der Antarctis für eine interessante Funkverbindung über 14.000 Kilometer mit DL2JVN am 18. November 2011

In der Zeit ohne Telefon hatte der Amateurfunk als  Kommunikationsmöglichkeit für uns in der DDR große Bedeutung. Mit dem Bau unseres Minitransceivers im Klub bei VEB Barkas nach der ausgezeichneten Entwicklung und Konstruktion unseres Albrecht Mugler damals Y27NN, konnte ich 1988 endlich das Tor zu SSB auf dem 80-Meter-Band aufstoßen. Mit der Anwendungserfahrung zeigte sich, dass die Frequenzstabilität bei Erwärmung verbessert werden musste. Trotzdem war das Gerät eine sehr respektable Leistung einer kleinen Gruppe von Funkamateuren in der chronischen Mangelwirtschaft der DDR.

Möglicherweise ist das hier gezeigte Gerät das einzige noch existierende, auch mit zugehöriger Dokumentation. Es könnte für eine museale Verwendung (Amateurfunkmuseum oder lokales Museum) zur Verfügung gestellt werden.

Minitransceiver1

Minitransceiver

Minitransceiver für das 80-Meter-Band mit magnetomechanischen Filtern und einer  Ausgangsleistung von 5 Watt für SSB und CW. 1987/88 in Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt) entwickelt, konstruiert und in privater Kleinserie gebaut.     (Bilder: Karlheinz Reimann)


Interessante Kontakte, später Begegnungen und Freundschaften sind da entstanden. Günter Schwarzbeck DL1BU, bekannt durch seine Testberichte neuer Amateurfunkgeräte in der Amateurfunkzeitschrift CQ-DL,  hat mich durch seine Firma für Spezialantennen und Messtechnik in der Nähe von Heidelberg geführt.  Heinz Vetter DL6BQ alias „Bambus“, der Gewerkschafter aus dem OPEL-Werk Rüsselsheim,  hat mir Bauelemente und dicke Call-Bücher geschenkt.  Mit Kurt Goldberger DL5MDB (siehe Google), als Jude vor den Nazis aus Prag nach England geflohen, deutscher Sprecher der BBC London während des Krieges, renommierter Filmemacher und 1968 wieder aus Prag in die BRD geflohen, war mir in München immer ein interessanter und bereichernder Gesprächspartner.

Bei unseren Freunden Sigi Jakob DL7NT und seiner Frau Gisela in Spandau waren wir bereits ab  Herbst 1989 mehrmals ihre Gäste und haben mit den beiden interessante Erkundungen im Westteil Berlins unternommen. Sigi hat mir auch meinen ersten kommerziellen Transceiver, einen ICOM-751A vermittelt, mit dem für mich beim Amateurfunk „die Sonne aufging“.

Sigi Jakob

 

An der Mauer in Berlin

"Charly" DL2JVN mit Gisela und Sigi DL7NT (gest. 2016)  im Frühjahr 1990 an der  "Berliner Mauer"  bei Staaken in West-Berlin      (Bild: Sigi Jakob)

ICOM 751A

Meine erste Errungenschaft für den Amateurfunk nach der Wende: Ein Transceiver 751A der japanischen Firma ICOM, mit dem für mich beim Amateurfunk  "die Sonne aufging"                 (Bild: Karlheinz Reimann)


Mein Funkfreund Klaus Böttcher DJ3RW in der Römerstadt von Frankfurt am Main war ein unermüdlicher Entwickler elektronischer Baugruppen und Verfasser zugehöriger Fachbeitäge. Er hat aber auch viele Glossen und Satiren geschrieben, in denen er über Kurioses im Amateurfunk, behördlichen Übereifer und menschliche Unzulänglichkeit, auch über die eigene, spöttelte und in seinem Büchlein "Funkamateure sind auch nur  Menschen" publiziert hat. Auch die Idee der nachdenklichen Kurzgeschichte (hier unter "Patchwork" in "Unterschiedliche Preise für ein Tattoo" stammt von ihm kurz vor seinem Tod.


Gottfried Schönert DL6MEN, der Bauleiter des Münchner Fersehturms bei der Firma Kunz (die auch die zweistöckige Tiefgarage vor dem Opernhaus in Chemnitz gebaut hat) und seine Frau Erna wurden uns zu Freunden über drei Jahrzehnte.

Gottfried

Gottfried DL6MEN (gest. 2005)  mit seinem Segelboot "Asterix" 1994 auf dem Starnberger See    (Bild: Karlheinz Reimann)

Starnberger See

Auf dem Heimweg 1994 nach einem Segeltag auf dem Starnberger See: Gottfried DL6MEN, xyl Erna und  xyl Elfriede, allen voran die kleine Pudeldame Susi.  (Bild: Karlheinz Reimann)


Während meines „10-Tage-Ausgangs“ aus der DDR im Juni 1989 hat er mir mit den Funkamateuren vom  OV C18  den Besuch der HAM RADIO in Friedrichshafen finanziert – mit meinem Reisegeld von 15 DM für 10 Tage aus der DDR war ich ein „armer Hund“ und hätte das nicht ermöglichen können. Viel freundliche Zuwendung und Interesse auf der ganzen Fahrt habe ich als
„OM aus der DDR“ damals von den Münchner Funkfreunden erfahren, die über das trotz nur mit 5W Output durchdringende und dank der magnetomechanischen Filter aus dem VEB Funkwerk Köpenick klare Signal unseres Eigenbaugerätes gestaunt haben. Die vielen neuen Eindrücke in Frankfurt am Main und München haben mich damals jeden Tag schier überwältigt. Ein Segeltag in Gottfrieds Boot auf dem Starnberger See war eine wohltuende Erholung.  Meine Erlebnisse in diesen 10 Tagen hat Gottfried über Amateurfunk jeweils am folgenden Tag in der Morgenrunde auf dem 80-Meter-Band ausführlich „verkündet“ – und meine Elfriede, die  zu Hause bleiben musste, hat das an meiner Funkstation abgehört und war so aktuell bestens informiert – ganz ohne die lange Laufzeit durch die Deutsche Post (der DDR) und den „Umweg über den Kaßberg“ in Karl-Marx-Stadt, wo die Stasi ihre Zentrale hatte. Ein Brief von West nach Ost war damals eine Woche unterwegs, eine offene Karte zwei bis drei Tage. Täglich wurden im Stasi-Objekt Wielandstraße auf dem Kaßberg ungefähr 4.000 ausgewählte Briefe geöffnet, bevor sie den Empfänger erreichten -  zuweilen auch ohne das vom Absender beigelegte Westgeld.  Das Telefonieren aus der DDR in die BRD ist unter "Wendezeit" im Beitrag "Ein modernes Telefonnetz für Kleinolbersdorf-Altenhain" beschrieben. Heute ist vieles, was  unseren Alltag in der DDR geprägt hat, bereits in Vergessenheit geraten.

Unser Sohn Jörg mit Familie hat nach seiner Ausreise 1989 ins Allgäu von Gottfried und seiner Frau viel Hilfe und Unterstützung beim Neuanfang im Westen erfahren. Viele schöne Urlaubstage  mit Erkundungen in München und dem Alpenland haben wir seit der Wende mit Logis und Kost bei ihnen verbringen können. Andererseits konnten wir unseren Freunden zu Besuchen bei uns  das Erzgebirge zeigen und sie mit Chemnitz bekannt machen. Auch haben die Münchner viele Jahre gern Urlaub auf Rügen verbracht. So hat der Amateurfunk auch eine feste Brücke zwischen Spandau, Sachsen und Bayern geschlagen. Leider sind die hier aufgeführten männlichen Funkfreunde im Westen alle bereits verstorben.

Amateurfunk kann auch zum weltweiten Suchdienst werden, um verlorene Verbindungen wiederzufinden. Anna Luft aus Chemnitz, die Schulfreundin der Großtante meiner Frau, ist 1909 nach Deutsch-Südwest-Afrika ausgewandert und hat dort geheiratet. Postverbindungen mit ihr bestanden bis in die 1950er Jahre und sind dann eingeschlafen. In der Deutsch-Afrika-Runde unterhalten sich täglich Amateurfunker aus Namibia mit ihren Freunden und Angehörigen in Deutschland. Als ich erstmals in diese Gesprächsrunde geriet und nach diesem Namen nachforschte, konnte keiner helfen. Aber die Amateurfunker in Namibia wie Emil V51ED, Peter V51BP, Jürgen Felsner V51JF oder der legendäre Karl Jordan V51BG in Windhoek wussten Rat: Schreib doch mal ein paar Zeilen an die AZ, die deutschsprachige „Allgemeine Zeitung“ in Windhoek oder Swakopmund. Nach drei Wochen erreichte uns eine Mail: „Ich heiße Heike Neubrech und bin die Enkeltochter von Oma Anna, die Sie gesucht haben“. Aufregung und Freude waren groß, es folgten Jahre mit vielen Mails und 2005 sind wir nach Namibia geflogen. Mit Heike und Jochen haben wir auf der Jagdfarm „Etemba“, auf den Spuren von Oma Anna und einer 3.000 Kilometer langen Rundreise im Jeep durch das weite herrliche Land zwei unvergessliche Wochen mit wunderbaren Erlebnissen verbracht.

Heike und Jochen

Heike und Jochen Neubrech in Swakopmund     (Bild: Jochen Neubrech)

 

Sossusvlei

Namibia Sossuvlei, mit Heike und Jochen in den brühmten Dünen am Rande der Namibwüste.            (Bild: Karlheinz Reimann)

EtoschaStay in your car! ist hier angesagt. Die hungrigen Löwen im Naturschutzpark Etosha-Pfanne sind nur sechs Meter entfernt.     (Bild: Karlheinz Reimann)

Swakopmund

In Swakopmund im "Cafe Anton" fühlt man sich fast wie in Deutschland zu Hause. Der dunkelfarbige Kellner in schwarzer Hose und  blütenweißem Hemd bringt "gebackte Eiers mit Speck" und wünscht guten Appetit.          (Bild: Karlheinz Reimann)


Die lockere Kommunikation mit SSB verleitete in der DDR-Zeit aber auch schneller zu Gesprächen mit Folgen. Im Frühjahr 1989 hatte ich meinem Funkfreund Gottfried in München über unsere Reise nach Prag am vorherigen Wochenende und die Sehenswürdigkeiten in der "Goldenen Stadt" berichtet. Nach dem Amateurfunkgesetz der DDR war das ein "Funkverstoß", denn der Nachrichteninhalt  sollte sich nach diesem Gesetz  neben der persönlichen Vorstellung auf Fragen von Technik und Betriebstechnik beschränken. Freundschaftliche Kontakte mit Amteurfunkern im "kapitalistischen Ausland" waren nach diesem Gesetz nicht vorgesehen. Ein Eiferer unter uns Amateurfunkern hatte mein 22 Minuten langes Gespräch – mein Signal war wie vom Nachbarzimmer, das Münchner mit Fading – auf Kassette mitgeschnitten und Rudi Mohr angeblich „in den Briefkasten gesteckt“. Daraufhin wurde Y22VN für drei Monate gesperrt. Unser Klubstationsleiter Bernd Schönherr Y48ZN musste die unangenehme Sache im Sommer 1989 mit mir diskutieren, die "Oberen" von GST und Deutscher Post  hatten sich bereits abgeduckt. Ich habe es dem Bernd nicht schwer gemacht und mir „Asche aufs Haupt“ gestreut. Das baldige Ende dieser Schikanen war eh abzusehen. In einem anderen Fall wurde ein Satz von Horst „in Schwerin gibt es Farbfernseher“ als Diskriminierung der DDR ausgelegt und Anlass für eine ernste Aussprache. Ja, so war das damals, für unsere jüngeren Amateurfunker heute schwer vorstellbar. Mein Funktagebuch war mehrmals wochenlang von der Deutschen Post „zur Überprüfung“ eingezogen worden. Auf Nachfrage bei der Bezirksdirektion der Deutschen Post zur Rückgabe sagte man mir mit „Blick zum Kaßberg“ (dort befand sich die Bezirksverwaltung des MfS Karl-Marx-Stadt), es sei „noch in Arbeit“. Viele Kopien aus meinem Funktagebuch sind heute in meiner Stasi-Akte zu finden. Es gibt Amateurfunker, die uns damals hauptamtlich überwacht und bearbeitet haben und heute euphorisch Kontakte mit Partnern im damaligen „Operationsgebiet“ pflegen – was ich heute  normal finde. Große Achtung habe ich dabei vor jedem, der sich beizeiten ehrlich bekannt, die Vertrauensfrage gestellt und so seine Vergangenheit „aufgeräumt“ hat. Das ist menschlich sicher schwer gewesen, aber die Repressionen mussten wir damals auch jahrelang ertragen. "Es  hatte eben alles es seine Zeit",  und  diese liegt jetzt schon fast 30 Jahre hinter uns.

 

Glossar

QSO             Funkverbindung zwischen Funkamateuren
QSL-Karte     Karte einer Amateurfunkstation zur Bestätigung einer Funkverbindung
GST              Gesellschaft für Sport und Technik. Organisation zur vormilitärischen
                    Ausbildung in der DDR. Eine Amateurfunkgenehmigung wurde von der Post der 
                    DDR nur auf Vorschlag der GST bearbeitet und konnte auch durch die GST
                    wieder entzogen werden.
Logbuch        Tagebuch einer Amateurfunkstation, Aufzeichnung aller Funkverbindungen
CW               Morsetelegrafie  (continous wave)
SSB             Einseitenbandmodulation. Modulationsverfahren mit wesentlich verbesserter
                    Übertragungsqualität bei Sprechfunk
OM               Anrede für Amateurfunker  (old man)
YL                Fräulein, junge Frau  (young lady)
XYL              Ehefrau  (extreme young lady)
VEB             Volkseigener  Betrieb, also staatlicher Betrieb in der DDR
Transceiver    Funkgerät, bei dem Sender (transmitter) und Empfänger (receiver) sich
                    konstruktiv kompakt als ein Gerät darstellen
80m-Band     Nach weltweiten Vereinbarungen sind auch für den Amateurfunk bestimmte
                    Frequenz- oder Wellenlängenbereiche, sogenannte Bänder, zugeteilt worden.
                    Das 80-Meter-Band mit einer Wellelänge um 80 Meter ist das am häufigsten
                    genutzte Band für Inlandverbindungen bei Tag und europaweite Verbindungen
                    während der Nacht.
Beam           Antenne mit Richtwirkung der Strahlungsleistung
Delta-Loop    Drahtschleife in Form eines Dreiecks, Antenne für mehrere Bänder   
DX                Funkverbindung über große Entfernung, Tausende Kilometer, andere Kontinente
Pileup           Anhäufung vieler Funkstationen, die gleichzeitig und eng benachbart auf einer
                    Frequenz rufen 
Fading          Funkempfang mit übertragungsbedingten Lautstärkeschwankungen
OV               Ortsverein von Funkamateuren, Gliederung des Deutschen Amateur  Radio
                    Club  (DARC)


Anmerkungen:

(1)    FOCUS 47/2018 Seite 52 bis 62

 

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