Von Karlheinz Reimann,
geschrieben im April 2016
Als 2015 der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) bis 2030 aufgestellt worden ist, war darin die Modernisierung der Bahnlinie Chemnitz - Leipzig nicht eingeordnet worden. Alle administrativen Bemühungen der Stadt Chemnitz dafür waren erfolglos geblieben. Deshalb appellierte Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig an Vertreter von Politik, Wirtschaft, öffentlichen Institutionen und alle Bürger, sich mit Argumenten für eine zeitgemäße Anbindung von Chemnitz, einer Stadt mit 250.000 Einwohnern und beachtlichem Wirtschaftspotential, an das Fernliniennetz der Bahn einzubringen. Im August 2016 wurde unter Berücksichtigung eingegangener Stellungnahmen der neue Entwurf für den BVWP 2030 in den Bundestag eingebracht, in dem nun auch die Strecke Chemnitz - Leipzig in den "potentiellen Bedarf" aufgenommen wurde. Barbara Ludwig: "Damit ist das fast Unmögliche gelungen, nämlich Änderungen am Entwurf zum Verkehrswegeplan zu erreichen. Mit der Aufnahme in den potentiellen Bedarf besteht jetzt tatsächlich endlich die Chance, dass Chemnitz wieder eine leistungsfähige Anbindung an den Fernferkehr erhält, wie sie einer Wirtschaftsregion dieser Bedeutung auch zusteht ..." Doch die Realisierung des Projektes, ein zweigleisiger Ausbau und die Elektrofizierung der Strecke, ist damit noch nicht gesichert. Es kommt jetzt darauf an, dass die Modernisierung der Strecke in die nächste Dringlichkeitsstufe, den "vordringlichen Bedarf" aufsteigen kann.
Bereits während praktischer Arbeit vor und während meines Studiums an der Hochschule für Verkehrswesen Dresden hatte ich die Misere des Eisenbahnbetriebes auf der Strecke Chemnitz - Leipzig kennengelernt, die trotz punktueller Verbesserungen bis heute besteht. Deshalb wollte ich mich mit dem folgenden Schreiben an das Bundesverkehrsministerium auch als Bürger mit der folgenden Stellungnahme an der Diskussion des Entwurfes beteiligen.
Bundesministerium
für Verkehr und digitale Infrastruktur
Referat G12
Invalidenstraße 44
10115 Berlin
Stichwort: BVWP 2030
Chemnitz, am 26.04.2016
Sehr geehrte Damen und Herren,
in Sachsen hat man beginnend mit der intensiven industriellen Entwicklung ab 1890 bei der Verkehrswegeplanung stets großen Wert darauf gelegt, dass die drei großen Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz mit gut ausgebauten Bahnlinien verbunden worden sind. Besonders der Verbindung von Chemnitz, dem „Sächsischen Manchester“, als Ballungszentrum von Bevölkerung und industrieller Produktion mit Leipzig als herausragendem Handelszentrum wurde dabei große Bedeutung beigemessen. Als Folge des Krieges ist 1945 die gut ausgebaute Eisenbahnlinie zwischen Chemnitz und Leipzig demontiert worden, wobei auch die moderne Eisenbahnsicherungstechnik als Reparationsleistung in die Sowjetunion verbracht worden ist. Seitdem wird die Strecke nur eingleisig betrieben und bis weit in die 1960ger Jahre wurde der sicherungstechnische Betrieb mit veralteten Mitteln realisiert, indem durch Telegrafie über die bahneigenen Fernmeldeleitungen die Züge von Bahnhof zu Bahnhof weitergemeldet wurden. Zugbegegnungen auf freier Strecke sind da nicht möglich. Bis heute wurde für den Gleisausbau und die Anlagentechnik viel getan, aber eingleisig ist die Strecke immer noch. Offensichtlich besteht hier Handlungsbedarf, um Defizite aus der Zeit nach dem Ende des Krieges als strategische Aufgabe endlich zu beseitigen.
Eine traditionelle Eisenbahnfernverbindung führt von Warschau über Leipzig nach Paris. Für Chemnitz wäre es auch aus solchen Gründen ein großer Infrastrukturvorteil, wenn die Stadt durch eine moderne Bahnverbindung Leipzig „näher gebracht“ würde. Durch einen zweigleisigen Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke, häufige Verbindungen bei kurzen Fahrzeiten, könnte dieses Ziel erreicht werden. Zumal in Chemnitz mit der Modernisierung des Hauptbahnhofes und dem Chemnitzer Modell große Anstrengungen unternommen werden, die Verkehrsinfrastruktur der Stadt und ihre Anbindung an das Fernnetz zu verbessern.
Derzeit wird in Deutschland einer Erhöhung der Elektromobilität große Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei wird durch die Politik der Focus vorwiegend auf den Straßenverkehr gelenkt. In Deutschland besteht seit Jahrzehnten eine wachsende Schieflastigkeit des Verkehrswesens, indem zu viele Güter auf der Straße und zu wenige auf der Schiene transportiert werden. Wie die Industrie beklagt und deshalb auf die Straße ausweicht, kann die Bahn häufig keine befriedigenden Angebote realisieren, um den heutigen logistischen Anforderungen der Wirtschaft, von Handel und vor allem der Industrie mit modernen Produktionsmethoden wie just-in-time bei der Automontage ohne wesentliche Lagerhaltung zu entsprechen. Während bei Elektroautos die Batterien heute noch bezüglich Gewicht und Kapazität ein erhebliches Problem darstellen und nur eine begrenzte Nutzung der Fahrzeuge gewährleisten, verfügt die konzentrierte Elektromobiltät der Bahn durch elektrische Zugförderung über seit langer Zeit ausgereifte und bewährte Systemlösungen. Weil dieser Perspektive ökonomisch und ökologisch die Zukunft gehört, erachte ich es zwingend notwendig, mehr in die Bahn zu investieren, um die Straße von Ferntransporten zu entlasten. Einnahmen, die die Bahn mit zu geringem Güterverkehr nicht erlösen kann, schlagen sich in erhöhten Preisen für den Personenverkehr nieder, weshalb letztlich viele Reisende doch lieber mit dem Auto unterwegs sind.
Wenn man mit der Bahn schneller, bequemer und komfortabler an sein Reiseziel gelangen kann als mit dem Auto und während der Fahrt noch die Zeit für Arbeiten am Notebook nutzen kann, wird die Bahn erheblich mehr Fahrgäste gewinnen. Vom Zielbahnhof aus den Tagungsort mit einem leistungsstarken Nahverkehr oder car sharing zu erreichen, sollten weitere Ziele für ein modernes Verkehrswesen in unserem Land sein.
Unter diesen Gesichtspunkten ist es nicht nachvollziehbar, dass der Ausbau der Strecke Chemnitz-Leipzig als strategisches Ziel bisher nicht in den BVWP 2030 eingeordnet worden ist. Der Ballungsraum Chemnitz mit 1,6 Millionen Einwohnern und seinem bedeutenden Wirtschaftspotential, das der weiteren Entwicklung bedarf, um seine frühere Größe wieder zu erlangen, wird durch diese Entscheidung erheblich benachteiligt. Sie sollte deshalb erneut in konstruktiver Weise auf den Prüfstand kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Karlheinz Reimann
Anmerkung:
Dipl.-Ing. Karlheinz Reimann ist Absolvent der Hochschule für Verkehrswesen Dresden, Fachrichtung Eisenbahnsicherungs- und Fernmeldetechnik, im Ruhestand.
In der Eingangsbestätigung des Bundesverkehrsministeriums wurde u.a. ausgeführt:
Sehr geehrter Herr Reimann,
vielen Dank für Ihre Stellungnahme zum Entwurf des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2030. Diese ist beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) eingegangen und hat die Eingangsnummer 16928 erhalten. Das Beteiligungsverfahren stellt einen wichtigen Baustein im Prozess der Aufstellung des BVWP 2030 dar. Es soll dazu beitragen, die Entscheidungen in der Verkehrsinfrastrukturpolitik transparent zu machen und damit insgesamt zu verbessern.
Das BMVI wird Ihre Stellungnahme nun unter fachlich-inhaltlichen Gesichtspunkten auswerten. Diese Auswertung erfolgt nach den Vorgaben der Strategischen Umweltprüfung (SUP) gemäß des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). Im Fokus stehen dabei sachbezogene Argumente und Hinweise, die zu Änderungen am BVWP 2030 und dessen Umweltauswirkungen führen können. Nach Einarbeitung etwaiger Änderungen wird die überarbeitete Fassung dem Bundeskabinett zum Beschluss vorgelegt und veröffentlicht ...
Wir danken Ihnen, dass Sie sich mit Ihrer Stellungnahme aktiv in den Prozess zur Aufstellung des BVWP 2030 eingebracht haben.