von Karlheinz Reimann, 
geschrieben im Mai 2014, aktualisiert im Januar 2025 

Es ist merkwürdig: Niemand spricht vom ehemaligen Deutschen Kaiserreich, von der ehemaligen Weimarer Republik oder vom ehemaligen Dritten Reich. Auch im Schriftgut historischer Bücher findet man diese Formulierung nicht. Von der ehemaligen DDR wird dagegen auch nach über  drei Jahrzehnten ständig gesprochen oder geschrieben. Die Penetranz, mit der bezüglich der DDR an dieser Formulierung festgehalten wird, ist auffällig. Das mag oft einfach nachgesprochen oder ein Lapsus im Gebrauch der deutschen Sprache sein, zuweilen aber auch beabsichtigt. Warum sagt man nicht einfach DDR? Die Historie ist schließlich hinreichend bekannt.

In der DDR trauten sich 1989 immer mehr Menschen ein Aufbegehren für mehr Freiheit von Wort und Schrift, Reisefreiheit, mehr Demokratie und mehr Wohlstand in ihrem Land. Die ganze Welt schaute gebannt auf die Friedliche Revolution vom Herbst 1989 und den nahezu lautlosen Zusammensturz des waffenstarrenden SED-Regimes. Wenn jetzt - nach über drei Jahrzehnten - an diese Ereignisse erinnert wird, an die Zeit der Kerzen und Gebete, die damals zum Ende des Kalten Krieges und zur Wiedervereinigung Deutschlands geführt haben, wird fast immer der Ausdruck  ehemalige DDR  verwendet. Als müsste man Berührungsängste haben, einfach von der DDR zu sprechen, in der 16 Millionen Deutsche real 40 Jahre lang gelebt haben, weil ihnen das als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges zugeteilt wurde.

Bereits vor Jahren hat die Schriftstellerin Marion Maron in ihrem Roman „Flugasche" genervt die Frage aufgeworfen: „Ehemalige DDR, ja was soll das denn nun wieder sein?" Im freien Wörterbuch Wiktionary findet man zu  ehemalig "etwas das nicht mehr existiert, nicht mehr besteht." Hier einige Beispiele, wie dieses Wort häufig auch fälschlich verwendet wird:

Unkorrekter Sprachgebrauch  

„In der ehemaligen DDR gab es auch Wahlfälschung". Die ehemalige DDR, also die nicht mehr existierende DDR, das sind  heute die fünf neugegründeten Bundesländer. In ihnen gab es und wird es hoffentlich niemals Wahlfälschung geben. Deshalb sollte es klarer heißen: „In der DDR gab es auch Wahlfälschung." Was später gerichtlich nachgewiesen und mit Urteilen belegt worden ist. So einfach und klar kann Sprache sein!

Wenn jemand 1966 in Dresden das Licht der Welt erblickt hat, ist sie oder er zweifelsfrei in der DDR geboren. Auch wenn die Bearbeiterin im Einwohnermeldeamt am Rhein auf die Eintragung „geboren in der ehemaligen DDR" besteht. Die "ehemalige DDR", also die seit  dem 3. Oktober 1990 „nicht mehr existierende DDR“ gab es 1966 noch nicht.  Es wird zuweilen nachgeredet,  ohne nachzudenken.

Ähnlich sprachlich fragwürdig ist auch die Formulierung: „Der verstorbene Papst, er war häufig auf Reisen, besuchte auch Südamerika". Zwar könnte man den Leichnam des Papstes nach Südamerika bringen, aber ein Besuch wäre das nicht. Richtig sollte es heißen: „Der Papst  war häufig auf Reisen und besuchte auch Südamerika." Zu seinen Lebzeiten! Ebenso die kürzliche  Nachricht der Tagesschau: „Der verstorbene Cornelius Gurlitt hat seine Bildersammlung dem Kunstmuseum in Bern vermacht." Er hat  dies getan, aber da war er noch nicht verstorben. Auch wenn die Kausalität  nicht korrekt formuliert wurde, sind wir meist geneigt, diese sinnvoll zu interpretieren. Man könnte deshalb einen solchen Lapsus als Haarspalterei abtun. 

Abwertender Sprachgebrauch

Anders ist es, wenn zuweilen mit einer hintergründigen Wertung an der "ehemaligen DDR" festgehalten wird. Da soll auch immer wieder erinnert werden: Bei Euch  war doch alles marode, ihr seid doch untergegangen. Tatsächlich war die DDR 1989 in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht gegenüber der BRD in einem beklagenswertem Zustand, das sozialistische Experiment verbraucht und verschuldet. Die SED-Führung hatte seit langem keine Antworten mehr auf Fragen der Zukunft und wandte sich sogar gegen den Reformkurs in der Sowjetunion. Aber die Menschen haben auch in der DDR beachtenswerte Leistungen hervorgebracht, auch wenn unter den gegebenen Bedingungen der Ertrag  für die Menschen persönlich geringer war. So mussten 45 Jahre lang Reparationen an die Sowjetunion allein von den Menschen in der SBZ/DDR aufgebracht werden. Man denke nur an das Uranerz in Sachsen und Thüringen, das als drittgrößte Lagerstätte in der Welt galt. Die DDR verfügte trotzdem über den höchsten Lebensstandard im sozialistischen Lager. Der Historiker Jakob Scharf (1) schreibt dazu: „Das Problem sitzt tiefer, als nur in der Medienberichterstattung, was doch auf eine zumeist absichtliche Verwendung des Begriffs „ehemalige DDR" im falschen Zusammenhang schließen lässt." Einmal im Jahr, im Festakt zur Wiedervereinigung am 3. Oktober, wird meist angemerkt, dass es für das "Zusammenwachsen dessen, was zusammen gehört" (Willy Brandt) auch notwendig sei, die  "Lebensleistung der Ostdeutschen" anzuerkennen. 

Westliche Ersatzwörter für „DDR"

Aus der Zeit des Kalten Krieges stammen Ersatzwörter, als im Westen die Bezeichnung „DDR" wegen ihrer Nichtanerkennung offiziell tabu und in der bundesdeutschen Bevölkerung für viele geradezu anstößig gehalten wurde, wie der Sprachwissenschaftler Hans-Martin Gauger meint (2). Solche  „Ersatzbezeichnungen"  für  „DDR" waren beispielsweise: „Sowjetzone", „Ostzone" oder „SBZ" (Sowjetische Besatzungszone), „Zone" oder schlicht „Osten". Oder einfach das gutgemeinte „Drüben" beim Packen eines Paketes für Verwandte und Bekannte in der DDR. Der eloquente Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, von Franz-Josef Strauß und Helmut Schmidt auch „König Silberzunge" genannt, sprach im Bundestag mit Blick auf die DDR vom „Phänomen". Auch „Ostdeutschland" wurde häufig benutzt, weshalb Walter Ulbricht demonstrativ nicht von der BRD, sondern meist von „Westdeutschland" sprach. Weniger freundlich war „Dunkeldeutschland", nicht ohne ein wenig Arroganz, selbst auf der "helleren Seite" zu leben und die Menschen auf der "dunkleren Seite" als solche zu identifizieren. 

Die DDR ein Rechtsstaat?

Die DDR sprachlich korrekt beim Namen zu nennen, ist zunächst völlig ohne Wertung, also weder Sympathiebekundung noch Abwertung. Wertung entsteht durch das, was Menschen in der DDR erlebt haben. Und das war sehr unterschiedlich, je nachdem, ob jemand aus Überzeugung oder Anpassung Karriere gemacht hat, als „graue Maus" ohne Höhen und Tiefen einfach durchgekommen ist oder nach verweigerter Anpassung oder „Republikfluchtversuch" Lebenszeit in einem Gefängnis verbracht hat. Die 10.000 Frauen aus dem berüchtigten Frauengefängnis Hoheneck bei Chemnitz haben da keine guten Erinnerungen an die DDR, wie auch Carmen Rohrbach ihre Haftbedingungen dort beschrieben hat. (3) Hoheneck als „dunkler Ort" der DDR war weithin bekannt. Was heute noch erschreckt, ist die große Anzahl der nach heutigem Rechtsverständnis  unbescholtenen Frauen, die als politische Häftlinge dort drangsaliert worden sind. Wolfgang Welsch, vom Andersdenkenden in sieben Jahren Stasi-Haft zum kompromisslosen Gegner des SED-Regimes und uneigennützigem Fluchthelfer mutiert, hat alle Torturen des auch verbrecherischen Systems der DDR erlebt: Brutale Schläge, Misshandlungen, Zwangsinjektionen von Psychopharmaka, schwere Körperverletzungen, Isolationshaft, tagelange Folter in der Kältezelle, Scheinexekution und nach seiner Freilassung mehrere Mordanschläge der Stasi  mit der Operation "Skorpion" auf dem Gebiet der BRD und im Ausland (4). Viele Frauen und Männer berichten authentisch über Entwürdigung, Zwangsbehandlung und Folter in den Gefängnissen der DDR, um renitentes Verhalten von Inhaftierten zu brechen. Da stellt sich die Frage, ob die DDR ein Staat war, in dem auch Unrecht ausgeübt wurde, nicht mehr. Eher ist zu fragen, wo die Täterinnen und Täter von damals heute abgeblieben sind. Die Würde des Menschen war in der DDR nicht unantastbar! (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 1,  Absatz 1 )

Demokratie à la DDR

Die föderale Bundesrepublik Deutschland, ein sehr demokratisch konstruiertes Staatswesen mit vielfältigen Ausgleichsmechanismen gegen eine zu große Machtkonzentration an einer Stelle – ein Sachverhalt, dem der Parlamentarische Rat bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes als Lehre aus der Weimarer Republik und der Nazizeit große Beachtung geschenkt hat - hatte es nicht notwendig, den Hinweis auf die Demokratie in ihrer Benennung zu verankern. Anders die Deutsche Demokratische Republik. Doch das Wort „Demokratische" war ein Euphemismus, denn demokratisch war in der DDR eigentlich gar nichts, wie auch Waldemar Besson und Gotthard Jasper in „Das Leitbild der modernen Demokratie" (5) für das Grundgesetz der BRD darlegen. Es hat niemals eine freie Wahl gegeben. „Zettelfalten" - wie das im Volksmund der DDR häufig genannt wurde - von mindestens 90% der Wählerinnen und Wähler ohne Benutzung einer Wahlkabine, wird in einem demokratischen Staatswesen als ungültige Stimme gewertet. Die Gewaltenteilung und vor allem die Unabhängigkeit der Legislative, Exekutive und Judikative, seit der Staatslehre von Montesquieu und der Französischen Revolution tragende Säulen der Demokratie, waren in der DDR nicht gewährleistet. Alle Gewalten und Staatsorgane waren leitend besetzt mit Kadern der SED und funktionierten als Ausführungsorgane zur Durchsetzung der „führenden Rolle" der SED. Neben der SED gab es keine von ihr unabhängigen Parteien. Die Mitbestimmung der Volksmassen sowie der Blockparteien war auf Zustimmung zur Politik der SED reduziert, wie auch die persönliche Meinungsfreiheit in Wort und Schrift. Selbst der Chemnitzer Ehrenbürger Stefan Heym, dessen jüdische Familie unter dem Naziregime so unsäglich gelitten hat, musste auch in der DDR seine Buchmanuskripte zur Veröffentlichung in die BRD schmuggeln. Alle Medien waren „gleichgeschaltet" wie seit 1933 und hatten hauptsächlich die Aufgabe, die Beschlüsse der SED-Führung in der Bevölkerung durchzusetzen. Zuweilen wurde proklamiert, die DDR verkörpere die „Diktatur des Proletariats". Aber auch das war einer von vielen Euphemismen, denn das Proletariat – die Arbeiter, Bauern und die werktätige Intelligenz - waren nur für die Wertschöpfung im Land zuständig, das Diktieren hatte sich die Parteiführung selbst vorbehalten. Die Möglichkeit einer demokratischen Abwahl der SED gab es nicht. „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben", hatte Walter Ulbricht 1946 in Berlin seine Mitstreiter instruiert (6). Und so war es auch tatsächlich bis zur ersten demokratischen Wahl in der DDR am 18. März 1990, in der sich das Wahlvolk mit großer Mehrheit gegen weitere Experimente unter Führung der SED entschieden hat. Auch weil viele Menschen in der DDR dafür nicht weitere Jahre ihrer Lebenszeit einbringen wollten.

Grobe Skizze unseres einen Lebens in der DDR

Dennoch  war  die DDR 40 Jahre  lang  alltägliche  Realität  unseres Lebens,  mit Vorzügen und  Nachteilen. Wir konnten diese nicht wählen, uns im Osten ist sie als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges verordnet worden. Man musste sich in der DDR einrichten, denn man hatte vorstellbar nur dieses eine Leben. Dieses eine Leben war nicht leer und wertlos, es beinhaltete auch eine Lebensleistung, wenn auch eine andere als in der Bundesrepublik.

Für die Kinder in der DDR bedeutete das eine friedliche und behütete Kindheit mit  ihren kleinen Freunden dem Sandmann, der Biene Maja, Pittiplatsch und Schnatterinchen oder Herrn Fuchs und Frau Elster. An "Unsere Heimat, das sind nicht nur die Wiesen und Felder..." erinnern sich manche Erwachsene heute noch gern. Aber es gab - wenn die Leiterin nicht strikt dagegen war - auch Kriegsspielzeug der Roten Armee oder  NVA im Kindergarten und man sang Lieder wie "Mein Vater trägt es am Rockaufschlag, das Zeichen der guten Genossen..." als politische Erziehung von klein auf. Ein  Kindergartenplatz  war  fast  kostenlos (1 Mark/DDR pro Tag von 6:30 Uhr bis 17:30 Uhr, mit Frühstück, Mittagessen und Vesper) und für nahezu alle Kinder der vielen berufstätigen Frauen verfügbar. Es folgte eine fachlich niveauvolle, aber auch gesellschaftspolitisch geprägte Schulausbildung, meist mit Mitgliedschaft in Jungen Pionieren, FDJ und GST. Konfirmation oder Jugendweihe wurden häufig zu einer Zäsur für die weiteren Ausbildungschancen.  Auch der Leistungssport konnte   politisch und körperlich geeigneten Kadern eine Karriere bieten. Dabei war es  Anliegen der SED-Führung, auch hier die Überlegenheit des sozialistischen Systems  zu demonstrieren. Auch mit "unterstützenden Mitteln", wie euphemistisch das staatlich organisierte Doping genannt wurde, wofür mancher Sportler für Erfolg und Ruhm später lebenslang mit gesundheitlichen Schäden zu leben hat.

Für die meisten folgte nach der Schule  eine  solide   Berufsausbildung,  danach  für Männer  mindestens 18 Monate der sogenannte „Ehrendienst" in der NVA (oder einem anderen bewaffneten Organ)  oder drei Jahre Wehrdienst für ein beabsichtigtes Studium. Prekär und gewissensbelastend war der Dienst an der Grenze. Schießbefehl? Welcher Hohn lag in der Anweisung, "auf Untervierzehnjährige darf nicht geschossen werden", erinnert sich der Grenzsoldat Lutz  Rathenow (7).  Nach Überwinden der Zulassungshürden ein Studium, für Arbeiter- und Bauernkinder  meist finanziell sorgenfrei mit Stipendium. Später ein ziemlich sicherer Arbeitsplatz  um jeden Preis, denn Arbeitslosigkeit durfte es in der DDR politisch nicht geben. Nicht selten wurden beachtliche Arbeitsergebnisse in Forschung, Entwicklung und Produktion erbracht, wobei auch manche Erschwernisse durch das Embargo des Westens, besonders im technisch-wissenschaftlichen Bereich,  zu bewältigen waren. Das Sozialwesen gewährte Brille, Zahnersatz und Krankenhausbehandlung fast kostenlos, wobei der chronische Mangel an vielem auch in der medizinischen Versorgung spürbar war. Was heute als Medizinisches Versorgungs Zentrum (MVZ) bekannt ist, gehörte als Polyklinik zum Alltag der DDR. Zur Unterstützung der Familie gab es Haushalttag und Babyjahr, für junge Ehepaare zinslose Kredite, auch  zum sogenannten „Abkindern". Diese sozialen Wohltaten waren durch die weniger effiziente Wirtschaft der DDR auf Dauer nicht zu finanzieren und führten besonders durch   Rüstungsausgaben,  Kosten für das Grenzregime und das defizitäre Wohnungsbauprogramm zur Staatsverschuldung. Sie konnten aber besonders unter Erich Honecker angesichts der ständig wachsenden Zahl von Ausreiseanträgen nicht zurückgenommen werden. 

Die neu errichteten Plattenbauwohnungen waren durch nichtkostendeckende Mieten (oft 75 bis 150 Mark/DDR warm)  für den Staat defizitär. Dies immer mehr, je mehr Wohnungen gebaut wurden.  Der Erhalt oder Bau eines Eigenheimes war mangels Material und  privat verfügbarer Handwerksleistungen  - die Handwerksgenossenschaften wurden durch staatliche Aufträge meist restlos ausgelastet - uneffektiv, langwierig und führte ohne verfügbare Privilegien oft an die Belastungsrenze der Familien. Altbausubstanz war vielerorts dem Verfall preisgegeben.  Nach 40 Jahren Sozialismus glichen vielerorts Altbauviertel in mitteldeutschen Städten eher einer Ruinengegend am Ende des Krieges, wie historische Bilder der Sendung "MDR-Zeitreise" zeigten. Viele Altersheime, aber auch Krankenhäuser befanden sich in einem beklagenswerten Zustand, weil es für notwendige Renovierungen an Material und Arbeitskräften fehlte. Vielerorts waren die Betriebe mangels Investitionen veraltet und ausgezehrt,  Land und Flüsse ökologisch belastet.  Ressourcen wurden ohne Verantwortung für künftige Generationen verbraucht.

Zum Leben in der DDR gehörten überwiegend ein viele Jahre lang "erwarteter" Trabbi, Urlaub oft an der Ostsee mit FKK - ein erkämpftes Freiheitsgefühl in der DDR - oder auch Bergwandern in der Hohen Tatra. Einmal die deutsche Zugspitze oder den Bodensee zu sehen, war der Reisefreiheit als Rentner vorbehalten. Wo irgendwie möglich, war mit den erwähnten Anstrengungen eine „Datsche" die ersehnte Freizeitnische für das absolut Private. Rente für Frauen mit 60 und Männer mit 65. Für "Geheimnisträger", und dazu wurden viele gemacht, noch 2 bis 3 Jahre Karenzzeit bis zur Reisefreiheit, um die Verwandten im Westen zu besuchen. Invaliden hatten Reisefreiheit sofort und zu jeder Zeit -  vielsgend für die DDR als Arbeitslager. Um sich ein Stück von der Welt anschauen zu können, fehlte fast immer das "richtige" Reisegeld. Man fühlte sich trotz erbrachter Lebensleistung diskriminiert.

Man musste in der DDR selbst tatkräftig und kreativ sein, um in der chronischen Mangelwirtschaft für private Zwecke etwas Eigenes zu gestalten oder zu erhalten. So wurde beispielsweise im Jahresurlaub in den durchgerosteten Skoda S100 in Eigenleistung ein neuer Boden eingeschweißt oder ein Altbau mit  (von den dort Beschäftigten gestohlenem) "Kehrzement" in "Feierabendarbeit" wieder instand gesetzt. Das individuelle Leben war oft strapaziös und zeitraubend.  Östliche Biografien unterscheiden sich daher von westlichen meist erheblich, sind durch anstrengende Eigenleistungen, mehr Improvisation und zeitaufwändige Strapazen geprägt, aber für die Menschen aus  der DDR nicht weniger wertvoll.

Über drei Jahrzehnte nach der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands 1990 und "dem Zusammenwachsen dessen, was zusammen gehört" (Willy Brandt), sollte die sprachlich meist falsch verwendete und sachlich überholte Formulierung „ehemalige DDR" der Vergangenheit angehören. Auf dass Deutschland auch in diesem Sinne  eins werde!  Für die im wiedervereinigten Deutschland aufgewachsenen  Jüngeren  wird dieser Sprachgebrauch ohnehin in Vergesseheit geraten, wenn er von den Älteren und  den Medien nicht  immer wieder in Erinnerung gebracht wird. Das ist gut so, damit Deutschland auch in diesem Punkt eins wird.

Anmerkungen:

1)  Scharf, Jakob, Die Mär von der „ehemaligen DDR", in „ der Freitag", Unabhängige
     Wochenzeitung für Politik, Kultur und Literatur, das Meinungsmedium vom 4.3.2009

(2)  Gauger, Hans-Martin, Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung,       Sprachkritik.
      Kommentar vom 15.11.2010 zum Beitrag in der „Süddeutschen Zeitung" vom
      25.10.2010 über die Verleihung des Georg-Büchner-Preises

(3)  Rohrbach, Carmen „So lange ich atme", Piper Verlag München 2003, S. 218 ff.

(4)  Welsch, Wolfgang "Ich war Staatsfeind Nr.1", Piper Verlag München 2004

(5)  Besson, Waldemar und Jasper, Gotthard, „Das Leitbild der modernen Demokratie:
      Bausteine einer freiheitlichen Staatsordnung". Verlag Dietz, Bonn 1991

(6)  Leonhard, Wolfgang, in „Die Revolution entlässt ihre Kinder", Kiepenheuer & Witsch 1963

(7)  Rathenow, Lutz  in TV Sendung  "Nicht alles war schlecht"  D 2014