von Karlheinz Reimann,

geschrieben im März 2021.

Ein Statement, nachdem mir auch jetzt wieder zugetragen wurde, dass zu diesem Sachverhalt auch nach 28 Jahren gelegentlich immer noch Nachfragen und Zweifel kursieren oder am Leben gehalten werden.

Das Gerücht:

„Der Vorsitzende des Gemeinderates (1990 bis 1994), der Reimann war auch bei der Stasi, denn der hatte schon zur DDR-Zeit eine Funkstation zu Hause. Das durfte nur, wer bei der Stasi war.“

Das ist eine frei erfundene Behauptung und sie ist völlig falsch. Es gab in der DDR ca. 7.000 lizensierte Funkamateure, davon schätzungsweise 3.000 mit einer Amateurfunkstation zu Hause, mit Genehmigung durch die Deutsche Post auf Vorschlag der GST (Gesellschaft für Sport und Technik). Alle Funkamateure der DDR waren mit Namen, Wohnadresse und ihrem weltweit einmalig vergebenen Rufzeichen in der „Rufzeichenliste der Amateurfunkstellen der DDR“, für jeden zugänglich aufgeführt, analog einem Telefonbuch. Wer glaubt da ernsthaft, dass die Stasi ihre Mitarbeiter so veröffentlicht hätte?


Amateurfunk diente in der DDR vorrangig der vormilitärischen Ausbildung zur Aneignung von Spezialkenntnissen wie beispielsweise der Telegrafie. Amateurfunk ist ein seit den 1920er Jahren international anerkannter Funkdienst zur Erforschung der Kurzwellenausbreitung und zur weltweiten Völkerverständigung. So haben Funkamateure auch zur internationalen Anerkennung der DDR beigetragen. Amateurfunk darf in allen Ländern der Welt nur in offener Sprache und nach vorgeschriebenen Regeln betrieben werden.


Weitere Widerlegungen:

Erstens:

In den Jahren des Krieges und den Jahrzehnten der DDR war die Einwohnerzahl in unseren beiden Dörfern zurückgegangen. Im chronischen Mangel der DDR, auch an Baumaterial, war es nur wenigen gelungen, ein Eigenheim zu errichten. Mit dem Neubeginn nach der Wende galt es nun, die Einwohnerzahl künftig zu erhöhen, um die Schule  (am Ende der DDR hatten wir eine 10-klassige polytechnische Oberschule, danach musste wiederholt um den Bestand einer vierklassigen Grundschule gekämpft werden!) und den Kindergarten zu retten, Geschäfte zur örtlichen Versorgung anzusiedeln, eine Sparkasse, ein Eiscafé zu eröffnen, den Gasthof zu erhalten und vieles mehr. Ein weiteres Ziel war, die eigene Entscheidungsbefugnis der Gemeinde zu erhalten und der Eingemeindung nach Chemnitz möglichst lange zu widerstehen. Da lag es nahe, die 1933 an den Nazis und 1939 am Krieg gescheiterten Pläne von Altbürgermeister Johannes Ebert zur Errichtung der Gartenstadt wieder aufzugreifen und diese – nach heutigen Bedingungen und Vorgaben erheblich reduziert - als neues Wohnprojekt fortzuführen. Dazu hatte sich der Gemeinderat einhellig bekannt. Zur Erinnerung an das verdienstvolle Wirken von Johannes Ebert beschloss der Gemeinderat anlässlich seines 100. Geburtstages 1995 hier eine Straße nach ihm zu benennen und ich durfte  als Initiator die Laudatio halten (1). Heute ist mit „Gartenstadt-Nord“ (Teil1) eine bevorzugte  Wohnsiedlung, eine Oase der Ruhe und Erholung entstanden. Von den später durch die Bürgerinitiative unter der Führung von Hans Freitag beschworenen Horrorszenarien ist nichts Realität geworden. Wer es geschafft hat, hier zu wohnen, kann sich glücklich schätzen. 

Es war aber leider schon wieder so, dass Eigeninteressen zuweilen höher bewertet und durchgesetzt wurden, z.B. nicht jeder ein Nachbargrundstück akzeptieren wollte, und ein Dienst für die Gemeinschaft auch mit heftiger Kritik begleitet wurde. So wurde eine Bürgerinitiative gegründet mit dem Ziel der Verhinderung oder Verlagerung der Bebauung an anderer Stelle. 150 Einwohner hatten die Bürgerinitiative unterschrieben, darunter manche auch voreilig. 30 davon hatten umgehend ihre Unterschrift zurückgezogen, nachdem sie zur Ansicht gelangt waren, dass es hier gar nicht um ihre Interessen ging. Als alle Einwände (hohes Verkehrsaufkommen, Luftverunreinigung, Lärmbelästigung usw.) der Bürgerinitiative vom Gemeinderat demokratisch bearbeitet und entkräftet waren, wurde Anfang 1993 das oben genannte Gerücht als Flüsterpropaganda in Umlauf gebracht, um mich wegen meines Engagements für den Bau von „Gartenstadt-Nord“ aus dem Gemeinderat zu eliminieren. „Der Gemeinderat sollte gekippt werden“, wurde von Hans Freitag auf Veranstaltungen der Bürgerinitiative verkündet. Als Urheber des Gerüchtes wurden mir die Initiatoren der Bürgerinitiative gegen die neue Wohnbebauung zugetragen.

Die Planung für Gartenstadt-Nord (Teil 2) ist nach 1994 nicht mehr zur Ausführung gelangt. Nach einer Recherche der Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig vom Oktober 2020 haben in der nachfolgenden Wahlperiode (ab 1994 bis zur Eingemeindung 1997) Gemeindeverwaltung und Gemeinderat auf das Vorkaufsrecht der Gemeinde für die benötigten Grundstücksflächen verzichtet und sie bereitwillig zum privaten Kauf im Rahmen einer von der Bürgerinitiative gegründeten GbR überlassen. „Grundstückskaufverträge, wenn sie mit der Kaufpreiszahlung und Eigentumsumschreibung im Grundbuch rechtskräftig geworden sind, gelten in die Ewigkeit und sind nicht anfechtbar“, schreibt die Oberbürgermeisterin. Damit wurde der Fertigbau von „Gartenstadt-Nord“ für alle Zeit aufgegeben. „Jedenfalls haben wir unser Ziel erreicht“, hieß es aus der Bürgerinitiative. Das Ziel war: Keine weiteren Nachbarn. Eine Erfolgsgeschichte von Gemeinderat und Gemeindeverwaltung ist das nicht.

Nachdem das Gerücht aufgekommen war und ich davon Kenntnis erhalten hatte, habe ich 1993 den Gemeinderat in offizieller Sitzung gebeten und in meinem Namen ermächtigt, bei der „Gauck-Behörde“ (BStU Außenstelle Chemnitz) Akteneinsicht in meine Stasi-Akte zu beantragen. Damit wurde der Gemeinderat Jürgen Starke (CDU) beauftragt. Die Behörde hat damals - angesichts des Politikums – die Akteneinsicht kurzfristig innerhalb von zwei Wochen ermöglicht. Dem Gemeinderat Jürgen Starke wurde von der "Gauck-Behörde" in Berlin das Ergebnis schriftlich mitgeteilt, wonach ich 1976 einer Stasi-Werbung als IMV ausgesetzt war, die Stasi-Mitarbeit aber abgelehnt habe. Darüber hatte ich bereits im Herbst 1989 auf unserer Kirchenversammlung berichtet. Außerdem habe ich meine Akte dem gesamten Gemeinderat in offizieller Sitzung zur Anschauung und Wahrheitsprüfung vorgelegt. Damit war der Vorgang im Gemeinderat restlos geklärt. Dass außerhalb des Gemeinderates das Gerücht weiterhin kursierte, konnte damit aber nicht verhindert werden. Eine Klage meinerseits gegen den/die Verleumder ist daran gescheitert, dass sich niemand bereit erklärt hat, mich vor Gericht zu unterstützen und als Zeuge zur Verfügung zu stehen.

Der gesamte Vorgang meiner versuchten Stasi-Werbung von 1976, auch mit Dokumenten aus meiner Stasi-Akte, ist in den "Chemnitzer Geschichten" (www.chemnitzer-geschichten.de) unter „Erblasten“ im Beitrag „Mein „Tanz“ mit der Stasi Karl-Marx-Stadt“ veröffentlicht und kann hier von jedermann nachgelesen werden.

Zweitens:

Weil die Verleumdung gegen mich auch in der BStU Außenstelle Chemnitz bekannt geworden ist und dort die Stasi-Tätigkeit des IMB „Hans Stiehler“ aktenkundig vorliegt, hat die Behörde mich mit einem Forschungsauftrag über die Stasi in Adelsberg unterstützt. Das Ergebnis sollte öffentlichkeitswirksam von mir in einem Vortrag in der Kirche Adelsberg, auch unter Mitwirkung der Behörde (Stellvertretender Leiter der BStU Außenstelle Chemnitz Herr Lothar Raschker) dargelegt werden. Dieser Vortrag hat am 4. November 2009 stattgefunden, wobei die Kirche Adelsberg mit über 300 Besuchern überfüllt war (2). Bezeichnend war, dass die Einladungsplakate in Kleinolbersdorf-Altenhain von der Gemeindeverwaltung erst mit letzter Frist in den Schaukästen ausgehängt wurden und am Morgen nach dem Vortrag sofort wieder entfernt worden sind. Florian Morgenstern vom Heimatverein Adelsberg schrieb im  "Adelsberger" über den Vortrag: „Karlheinz Reimann servierte eine schwer verdauliche Kost, die so manchem noch heute im Magen liegen dürfte. Er beschrieb in seinem Vortrag die Zeit des stabilen Grauens in Adelsberg und blickte hinter so manche Tür auf dem ehemaligen Stasi-Gelände. Dass die Menschen mit diesem Thema nicht abgeschlossen haben, zeigte die überfüllte Kirche an diesem Abend".  Professor Rolf Lieberknecht schrieb mir noch am gleichen Abend eine Mail: "Sehr geehrter Herr Reimann, viele gewissenhaft recherchierte Informationen heute Abend, wie es Ihr Stil ist, aber besonders für Ihre Haltung Respekt und Anerkennung". 

Am Ende des Vortrages beantworteten Karlheinz Reimann und Lothar Raschker noch viele Fragen der Besucher. Viele Einwohner aus Kleinolbersdorf-Altenhain waren zum Vortrag gekommen, aber niemand vom Gemeinderat. 

Drittens:

Beruflich war ich bis 1998, bis zum Vorruhestand und der Altersrente, bei der Deutschen Telekom, zuletzt mit Aufgaben für den bundesweiten Einsatz von Glasfaserkabeln in den Netzen der Telekom, mit Berufung durch die Generaldirektion der Telekom Bonn beschäftigt. Wie alle Mitarbeiter der Telekom im Osten bin auch ich bereits 1991 durch die „Gauck-Behörde“ überprüft worden – ohne jede Beanstandung. In dieser Zeit wurde im neugegründeten Fernmeldeamt Chemnitz nicht wenigen Kollegen der ehemaligen Deutschen Post wegen ihrer verschwiegenen Stasi-Tätigkeit fristlos gekündigt.

Fazit:

Diese Fakten sollten eigentlich für jeden deutlich machen, dass bei mir eine Stasi-Tätigkeit absolut auszuschließen ist. Wer dies dennoch als Zweifel oder Vermutung in den Raum stellt, tut dies im Widerspruch zu bewiesenen, für jedermann augenscheinlichen Tatsachen. Auch einer Konkurrenz kann man sich auf diese Weise leicht entledigen. Was am Ende bleibt, ist eine widerliche, egoistischen Eigeninteressen dienende Verleumdung.

Dabei ist es ein wesentlicher Unterschied, ob jemand von der Stasi unberührt geblieben ist, weil sie an ihm kein Interesse hatte oder ob jemand sich den „Werbungen“ der Stasi verweigert hat. Ich muss gestehen, nach meinen eigenen Erfahrungen mit der Stasi lässt eine derartige Verleumdung den Betroffenen nicht gleichgültig. 

 Anmerkungen:

(1)   Vgl.  "Chemnitzer Geschichten", unter Historisches, "Johannes Ebert war zweimal  Bürgermeister in Kleinolbersdorf  -  und zweimal wurde er gefeuert"

(2)   Vgl.  "Chemnitzer Geschichten", unter Erblasten, "Die Stasi in Adelsberg  -  ein  Aufdeckungsversuch"